WOHNHÄUSER - PecherArchitektur+Design

PECHER
ARCHITEKTUR+DESIGN
Direkt zum Seiteninhalt

Hauptmenü:

VORTRÄGE
WOHNHÄUSER
1.  Einleitung
2.  Ein Spaziergang durch eine Wohnsiedlung
a.  Fragen zur Wohnkultur von Wohnhäusern
3.  "Toskanahäuser" - Irrwege im Wohnungsbau
a.  Florenz
b.  Landhäuser in der Toskana
4.  Designerhäuser
5.  Richtige Ansätze zur Gestaltung von Wohnhäusern
a.  Unsere eigene Arbeitsweise
b.  Einige besondere Vorbilder
6.  Resümee

Einen schönen Nachmittag

1.  Einleitung

Als ich erfuhr, dass ich ihnen etwas aus meiner Sicht über Wohnhäuser erzählen könnte, kamen mir so viele gedankliche Ansätze in den Sinn, dass ich, wenn ich es nur versuchen würde, den zeitlichen Rahmen dieser Veranstaltung bei weitem sprengen würde.

Dies ist der Grund, weshalb ich mich heute im wesentlichen auf jene persönliche Einstellung konzentrieren möchte, die wir Baufachleute in uns tragen sollten, wenn wir für unsere Auftraggeber verantwortungsvoll entwerfen wollen.

Verantwortung tragen heißt aber nicht, dass wir in erster Linie Erfüllungsgehilfen für spontane und oft oberflächliche Wünsche unserer Kunden sind, sondern dass wir den Bauherrn klar machen müssen, dass das von ihnen gewünschte neue Zuhause sehr viel stärkere Auswirkungen auf ihr künftiges Leben hat, als es den meisten bewusst ist.

Natürlich beschäftigt sich jeder Bauherr, bevor er zu einem Architekten geht, mit dem, was er für sein Leben als wichtig empfindet und er orientiert sich dabei auch an bestehenden Wohnhäusern, studiert vielerlei Prospekte und Fertighauskataloge oder Werbezeitschriften, die er von den Bausparkassen zugeschickt bekommt, oder lässt sich von Verwandten und Bekannten beraten, die schon einmal gebaut haben.
Manchmal werden auch Gestaltungswünsche geäußert, die auf glücklich erlebte Urlaubstage verweisen. Auch wenn es für viele in diesem Raum merkwürdig erscheinen mag, kommen hierbei das erste Mal Gefühl, Herz und Seele ins Spiel, was wohl die wichtigsten Ansätze für eine Gestaltung und für ein gemeinsames Zusammensein mit einem Lebenspartner sind.

Später möchte ich nochmals auf die Gefühle eingehen, die für einen Entwerfer und für einen Entwurf eines Wohnhauses von eminenter Bedeutung sind.

2.  Ein Spaziergang durch eine Wohnsiedlung

Bei einem Spaziergang mit einem Berufskollegen durch einen Vorort von Ingolstadt kreisten unsere Gespräche wie immer um die Architektur im Großen wie im Kleinen. Wir betrachteten die Häuser an der Straße, den Straßenraum und die Gärten und Vorgärten, die unseren Blicken nicht durch Wände und Hecken verstellt waren und wir stellten Vermutungen an, wie sich das Leben hinter den Häuserfassaden abspielen könnte.
Uns fiel auf, dass diese Straße in fast jeder anderen Vorstadtsiedlung in Deutschland liegen könnte, wenn man von der Umgebung im Hintergrund absieht, wie z.B. von den Hügeln oder der markanten Stadtsilhouette am Horizont.

Es dauerte nicht lange und wir kamen mit einem sichtlich stolzen Hausbesitzer ins Gespräch, der gerade an seinem neuen Vordach über der Eingangstüre bastelte.
"Ich denke, das Haus wird wohl nie fertig werden, obwohl ich bisher schon so viel Geld und Zeit investierte" sagte er uns auf die Frage, ob er sich an diesem schönen Tag nicht lieber ausruhen und in die Sonne legen möchte.
"Es muss noch die Terrasse gefliest, ein Teich und ein Grillplatz angelegt werden und wenn dies geschafft ist, dann wird der Maschendrahtzaun durch eine verputzte Mauer ersetzt. Und wenn dann noch Geld übrig ist, kommt die schon lange geplante Außenfeuerstelle dran."

Diese Aussage interessierte uns und nachdem wir uns als Architekten zu erkennen gaben, lud er uns zu einem Kaffee zu sich ein und er zeigte uns sein Haus.

Von außen war das Haus eigentlich schlicht und angenehm anzuschauen, wenn man von einem etwas angestückelten, eckigen Erker absah. An dessen geraden Flächen waren halbbogenförmige Fenster eingepasst, wobei jeweils ein oberer Wandschlitz darauf hinwies, dass ein Außenrollo zur Verdunklung dienen musste. Dies hatte zur Folge, dass die Fenster etwas niedriger gerieten und dass der Erker etwas wuchtig erschien, was nochmals durch die komplizierte Eindachung mit keilförmig geschnittenen Dachpfannen und den kupfernen Blechstreifen über der Abdichtung unterstrichen wurde.

Obwohl das Gebäude an eine "tratitionelle Bauweise" erinnerte, sprachen die Kunststofffenster und die mit einem schwungvollen Glaseinsatz versehene Eingangstüre dagegen. Auch das neue Vordach, dessen Konstruktion schon erkennbar war, war etwas überdimensioniert. Sie passte nicht so ganz zu dem ansonsten unaufdringlich wirkenden Gebäude.

Im Inneren gelangten wir über einen kleinen, etwas engen Windfang, in dem seitlich eine Türe mit einem glänzenden Messingdrücker war, hinter der sich das Gästeklo befand. Eine unmissverständliche seitliche Beschriftung wies zumindest darauf hin.
Wir gingen weiter und gelangten in einen weiteren Gang. Dort waren drei Türen und auch eine mit Jurastein belegte Treppe, deren gebogener Antritt nach oben führte. Eine der Türen am Ende der Treppe führte wohl in den Keller. eine andere, ihr genau gegenüber, war, wie wir später erfuhren, die Küchentüre. Wir gingen aber geradeaus durch eine etwas breitere Türe mit farbigen Glasfüllungen ins Wohnzimmer.
Als Erstes zog der Erker unsere Blicke an. Eine darin eingepasste Eckbank umfasste einen runden Tisch, die beide vermutlich aus einer Schreinerwerkstätte stammte. Für unser "geschultes Auge" und für unser Empfinden hatten die Seitenwangen und die Tischbeine etwas merkwürdige sinn- und nutzlose Verzierungen und Einkerbungen, die wohl eine gewisse Gemütlichkeit erzeugen sollten.
Gekrönt wurde die Essgruppe von einer abgehängten Lampe, deren Opalglashaube mit schmalen, gebogenen und in sich gedrehten, schwarz lackierten Metallstiften gehalten wurde, die wiederum an einer Metallkette befestigt waren. Eine an der Decke montierte achteckige Holzkonstruktion aus Nut- und Federbrettern bildete den oberen Abschluss.
An der Fensterwand beeindruckte ein Vorhang, der sich über die gesamte Länge hinzog und der von einigen sogenannten Schals unterbrochen wurde, die sich aber nicht zuziehen ließen, sondern lediglich die Fenster einrahmten. Aufgehängt waren sie an einer verchromten Stange, deren Ende jeweils mit einem gläsernen Knauf in Form eines Diamanten verziert waren. Am Ende des Zimmers, gegenüber des Erkers war die Sitzgruppe, die leicht von der Wand abgerückt war, aber nicht so weit, dass man dahinter durchschlüpfen hätte können. Sie war abgewinkelt, etwas wuchtig und sichtlich weich gepolstert und mit einem bläulichen geblümten Velourstoff überzogen. Ein zusätzlicher Sessel in gleicher Ausführung war leicht zur Seite gerückt, wohl um den Blick zum Flachbildfernseher zu erleichtern, der an der Wand befestigt war und der über einer schlichten, flachen und schönen Anrichte "schwebte".

An der Wandseite, seitlich des Fernsehers und der daneben stehenden Audioanlage war ein leerer Platz, der für den künftigen Kachelofen vorgesehen war.

Der Hausherr fing nun an, uns die geplante Form zu erklären. Seinen Ausführungen folgend und nach dem Funkeln seiner Augen und der Gestik seiner Hände zu urteilen, sollte hier der absolute Höhepunkt entstehen. Von Abstufungen, Abrundungen, Aufsätzen, Einlegearbeiten und Sitzpodesten, auf denen Polster aufgelegt werden, Profilen, Bordüren, künstlerischen Darstellungen mit Motiven aus dem Arbeitsleben eines Landwirtes und dies alles aus Specksteinen, deren Ränder teilweise mit Gold eingefasst werden sollen, war die Rede. Leider konnte er uns die Zeichnung nicht zeigen, da der Ofenbauer noch etwas umarbeiten und nach den Wünschen seiner Frau ergänzen müsste.

Seitlich der Couch war noch eine schmale Vitrine und daneben noch eine Türe, die in die Küche führte.
Der Küchenraum war quadratisch mit zwei Fenstern über Eck, sowie eine weitere Türe, die dann wieder zurück zum Flur führte.
Die Küchenmöbel waren sehr schlicht gehalten, glänzend hellgrau mit matten Edelstahlgriffen. Hier war sichtlich ein Küchengestalter, ein "Küchenprofi", beratend hinzugezogen worden. Es fehlte an Nichts. Es war auch genügend Platz für sämtliche Geräte, die käuflich auf dem Markt zu erwerben waren, vorhanden. Lediglich die bereits benutzten Kaffeetassen passten nicht so ganz in dieses perfekte Ambiente. Es roch auch nicht nach Essensgerüchen; ja es roch nach demselben Zitronenduft, den wir schon beim Eintreten, als wir an der Gästetoilette vorbeigingen, bemerkt hatten.

Beim Hinausgehen bedankten wir uns herzlich für das liebenswürdige Gespräch, wünschten noch viel Glück und setzten unseren Spaziergang fort.

a.  Fragen zur Wohnkultur von Wohnhäusern

Zunächst gingen wir stumm nebeneinander unseren Weg, bis wir uns fast zeitgleich fragten, ob dieses Wohnen und ob diese freundlichen Personen in irgendeiner Weise mit ihren Nachbarn vergleichbar sind? Und vielleicht ist dieses Haus auch typisch für viele andere Häuser in unserem Land?
Ist es eventuell wirklich so, dass irgendjemand irgendwelche Regeln aufstellt, die dann mehr oder minder abgewandelt als allgemein richtig und unwidersprochen anerkannt werden?
Haben die Bauherrn überhaupt Kenntnis um die Zusammenhänge von einem sensiblen, ausgefüllten Leben, wie wir es sehen und wie wir es in unseren Arbeiten zu vermitteln versuchen?
Haben die Architekten und vielleicht die ganze Architektur bei uns versagt und haben wir das Bauen komplett den planenden "Gartenzwergen" überlassen?
Wie kann es sein, dass jemand freiwillig ein wuchtiges Vordach über seinen Eingang hängt, das beim Eintreten eher sagt: "Ich werde dich erdrücken" als vielmehr: "Du bist herzlich willkommen, trete doch ein"?
Wie kann es sein, dass jemand, gerade in einer Zeit, in der wir auf Natürlichkeit und Umweltschutz achten wie nie zuvor, sich Plastikfenster kauft und einbaut, obwohl jeder weiß, dass diese bei der Entsorgung als Sondermüll behandelt werden?
Ist es den Bauherren denn wirklich egal, ob man, wenn jemand sein Haus betritt, er sich zuerst durch dunkle Gänge, bestenfalls beleuchtet über künstlerisch verglaste Fenster in der Eingangstüre, sich an dem Klo vorbeischleichen muss, durch ein nochmals abgeschlossenes Treppenhaus gehen muss, um dann ganz am Ende in den wichtigsten Lebensraum zu gelangen?
Wie kann es möglich sein, dass man sich zum Essen in einen Erker hineinzwengt, um mit dem Rücken zum Schönsten, zum Garten und der Natur zu sitzen und in dem die Speisen ständig durch den eigenen Schatten im Dunklen liegen, worauf man dann die Esstischlampe einschalten muss um genügend Licht zu haben?
Und wenn man dafür kein Empfinden verspürt, wie kann es sein, dass man so ein künstlerisches Monster von Kachelofen, wie es vorher beschrieben wurde, als Lebens- und Wohnmittelpunkt ausgibt, dem man weder beim Essen noch beim Fernsehschauen aus dem Weg gehen kann?
Sollte auch nicht eher darüber nachgedacht werden, ob das Zubereiten von Speisen nicht elementar zum Leben gehört und ein Mittelpunkt des familiären Lebens ist und somit auch im Zentrum des Wohn- und Lebensraumes liegen müsse?
Oder wird vielleicht gar nicht mehr so oft gekocht?
Sollte eine Küche nicht eher offen als Kommunikationsbereich gestaltet sein, in dem man zum genussvollen Kochen animiert wird und in der sich auch eingeladene Gäste aufhalten und unterhalten können, als dass man alles in Schränken wegsperrt?
Weshalb legen die Bauherrn so großen Wert auf eine Terrasse auf der Südseite, entlag der Hausfassade, wo denn hier, gerade an heißen Tagen, an denen sie genutzt werden könnte, dies wegen der großen Hitze und der starken Sonneneinstrahlung nur mit angebrachten Verschattungen möglich ist?
Können wir nicht von unseren Vorfahren lernen, die eher den Schatten und den Schutz eines Hofes bzw. eines Innenhofes suchten?
Und können wir heute nicht mehr begreifen, dass ein Wintergarten an der Südseite schon wegen der Aufheizung absurt ist, wo doch unsere Vorfahren ihre Glasanbauten, ihre Veranden stets nach Norden oder Osten orientierten und damit für den Sommer zusätzliche, vollwertige und kühlere Arbeits- und Aufenthaltsräume schufen?

Diese und noch viele weitere Fragen, wie zum Beispiel über den menschlichen Zusammenhalt und den Stellenwert des Familienlebens, über das räumliche Entwickeln von Lebensqualitäten, über den oft schändlich banalen Umgang mit der gebauten Geschichte, über Traditionen, über dem Umgang mit dem Bauland, über Entwicklungen im Wohnhausbau unter der Berücksichtigung des erforderlichen Raumbedarfs und der Lebensperspektiven, über Investitions-, Energie- und Folgekosten, über Werterhalt eines neuen Hauses im Hinblick auf Wiederverkauf, auf Kaufkraft und Bevölkerungsentwicklung und über die Entwicklung von möglichst kostengünstigen Infrastrukturen und Versorgungseinrichtungen, kamen uns in den Sinn.

Vielleicht liegt es aber auch daran, dass sich die Bauherrn wirklich von Bildchen, Klischees und Fernseh- oder Kinofilmen beeinflussen lassen und weil sie es nie, auch in keiner Schule gelernt und in einer wirklichen Ethik unterrichtet wurden, dass sie so sorglos mit ihrer Zukunft umgehen. Alles Grundsätzliche über das eigene Leben und das in einer erfüllten Partnerschaft, das gemeinsame Sein, wird anscheinend unwissend verdrängt und gerade dann, wenn es darauf ankommt, wenn der räumliche Grundstock für das eigene Leben gelegt wird, wird nicht mehr nachgedacht.
Vielleich werden dadurch zu viele Dinge als brauchbar akzeptiert, ohne Beachtung der Wirkungen und der Auswirkungen.

Wurde bei uns das intensive und das mit allen Sinnen erfassbare Leben und Zusammenleben wirklich schon von den geschmacklerischen Dekorationen übertüncht?
Man könnte fast annehmen, dass wir nur noch an jenen Orten, die wir auf unseren Urlaubsreisen oder Ausflügen kennenlernen, all das finden, was uns lebenswert erscheint, wo wir uns wohl und in irgendeiner Weise geborgen fühlen und dass wir dann diese Stimmung am liebsten mit nach Hause nehmen wollen. Doch können wir diese Stimmungen wirklich mitnehmen, wenn sie nicht von uns selbst stammen und uns eigen sind?
Und genügt uns dann wirklich nur noch ein billiger Abklatsch von dem, was wir tatsächlich empfinden und auch brauchen?

3.  "Toskanahäuser" - Irrwege im Wohnungsbau

Die in den letzten Jahren in Mode gekommenen sogenannten, oder besser gesagt, von einigen skrupellosen Bauträgern selbsternannten "Toskanahäuser", sind wohl wieder eine neue Variante von den seelenlosen Bauten, wie es schon bei den früheren rustikalen Landhäusern der Fall war.
Weder das eine, noch das andere ist in der Lage uns mit allen Sinnen zu berühren. Nur weil jetzt einige Fenster bis zum Boden reichen und außen, zusätzlich zu den Außenrollos, oft aus Dekorationsgründen Fensterläden angeschraubt werden und gelegentlich Pizze und Spaghetti gegessen werden, hat man noch lange nicht das Lebensgefühl und die Größe unserer südlichen Nachbarn adaptiert.

Es ist wohl auch jedem Architekten der ein solches Haus zeichnet klar, dass er sich selbst und seine Auftraggeber belügt und dass er seine wahre Aufgabe, das Beste für ihn zu leisten, missachtet. In jedem Architekturstudium an jeder Hochschule auf der Welt wird gerade beim Entwerfen größter Wert auf Authentizität und Wahrheitsgehalt gelegt.
Jeder Student im ersten Semester weiß, dass er sofort und mit Recht von jeder Schule fliegen würde, wenn er nur einmal versucht, plakative oder dekorative Entwürfe ohne adäquaten mentalen gedanklichen Hintergrund den Professoren vorzustellen. Doch gegenüber Auftraggebern wird alles das, was man im Studium erlernt und sich erarbeitet hat zur Seite geschoben und nur noch auf einen schnellen "Erfolg" hingearbeitet.
Der Auftraggeber hat aber ein Recht auf ein Haus, das alle seine Erwartungen erfüllt, auch jene, die er vielleicht in sich fühlt, aber nicht gleich artikulieren kann.

a. Florenz

Ein Spaziergang durch Florenz, der Hauptstadt der Toskana, kann vielleicht den Unterschied zwischen "unseren Toskanahäusern" und dem ursprünglichen Lebensgefühl dort verdeutlichen.

Es sind wie immer die vielen millionen Dinge, die ein Lebensgefühl, oder die vielen millionen Dinge, die eine Lebensqualität umschreiben.
In erster Linie sind es die Menschen und ihr stets menschlicher, liebevoller und freundlicher Umgang miteinander, der dort besonders auffällt und anscheinend aus ihrem Innersten kommt. Im Gegensatz zu unserem allgemeinen Umgang miteinander hier ist er dort wesentlich generöser.  
Es ist dort überhaupt nichts Ungewöhnliches, dass sich ein Advokat, ein Bankier oder ein berühmter Künstler mit einem Straßenhändler, einem Pförtner oder einer Nonne unterhält und scherzt und nicht ein einziges Mal wegen vermeintlichen Zeitdrucks auf seine Uhr blickt. Es ist ihnen wichtig am Leben eines anderen teilzunehmen, ihm zuzuhören und wirklich gut gemeinte Ratschläge oder Empfehlungen zu geben.
Mir fiel mehrmals auf, dass es, meistens nachmittags, der Fall sein kann, dass man in einem Straßencafe sitzt und es setzt sich eine "Grazie", die gerade einem Bild von Raffael zu entspringen schien, an einem Nebentisch. Jedoch setzt sie sich nicht einfach, sondern inszeniert oder besser gesagt zelebriert ihren Auftritt. Es kann durchaus mehrere Minuten dauern, bis schließlich alles so richtig sitzt und in Ordnung ist. Und jeder weiß, dass sie dies tut um beobachtet zu werden. Aber sie geniest es und sie lässt es auch zu, dass jeder in ihrer Umgebung den Genuss ihres Schauspiels miterleben kann. Selbst die Oberkellner warten bis ihr Auftritt vollzogen ist und sie für ihre Bestellung bereit ist.
Es ist eine andere Seite von Florenz, die von hoher Ästhetik, von Stolz, von Würde und von Souveränität spricht.

Aber auch die vielen Touristen werden in das wirkliche Leben fast voll mit integriert.
Ob es die natürliche Freundlichkeit der Zimmermädchen ist, die lustige und manchmal süffisante Art der Lederwarenhändler am Mercato Nuovo, dort, wo unter anderem das Streicheln einer aufgestellten broncenen Eberfigur Glück bringen soll, oder ob es die sachkundige Hilfsbereitschaft des Museumspersonals im Archäologischen Museum ist, immer hat man ein warmherziges Gefühl aufgenommen, ja manchmal denkt man sogar dort zuhause zu sein. Es schein, dass man in Florenz an einem Ort ist, wo man nach langem Suchen endlich angekommen ist.
Geht man durch die Straßen der Stadt und blickt in die Auslagen der Geschäfte, so stellt man unwillkürlich fest, dass hier wohl ausschließlich und wie selbstverständlich die beste Qualität angeboten wird. Ob es der angebotene Schmuck auf der Ponte Vecchio ist, oder die elegante Kleidung italienischer Modeschöpfer, die rund um die Piazza della Republica angeboten wird, just an jener Stelle, an der Florenz gegründet wurde und die heute durch eine Marienstatue markiert wird, oder ob es die vielen süßen Leckereien und köstlichen Speisen sind, an denen man sich leidenschaftlich erfreuen kann, überall spürt man die Gleichzeitigkeit von wirklichem Leben und stolzer Geschichte, was einem auch eine innere Zufriedenheit vermittelt.

Es sind auch die vielen tausend Eindrücke, die man gewinnt wenn man sich nur etwas umsieht.
Es ist die Geburtsstunde der Renaissance zu spüren, dokumentiert am Findelhaus von Filippo Brunelleschi, die Geburtsstunde des Manierismus, dokumentiert an der Bibliothek und der Medici Kapelle bei San Lorenzo von Michelangelo, oder der Dom, der Campanile und das Baptisterium, an dessen Osttor Ghiberti zwanzig Jahre lang gearbeitet hat. Überall ist das, was schlussendlich auch unsere Kultur und Wertschätzung ausmachen.
Es sind auch die vielen, vielen Skulpturen und Bilder, wie zum Beispiel die Pietá, die Kreuzesabnahme Jesus Christus von Michelangelo im Dom Santa Maria del Fiore, die er für sein eigenes Grab geschaffen hat und wo er sich selbst anstelle der Mutter Gottes dargestellt hat, um Gott auch nach seinem Ableben näher zu sein, oder es ist das Bild der "Geburt der Venus" von Sandro Botticelli, das wohl schönste und sinnlichste Bild der Welt, das unser Herz und unsere Seele berührt.

Und wandert man schließlich hinauf in Richtung der Piazzale Michelangelo, sieht man die Protorenaissance-Fassade der Kirche San Miniato al Monte, welche die erste Kirche war, die aus rein stadtgestalterichen Gründen nicht mehr in Ost- Westrichtung gebaut, sondern leicht gedreht in Richtung der Stadt errichtet wurde.
Und ist man schließlich auf der Aussichtsebene angekommen und blickt nun zurück, so sieht man die schönste Stadt der Welt.

Wer nur einmal diese Empfindungen verspürt hat, und gerade jemand, der meint ein kreativer Architekt zu sein, der kann doch nicht lügen, der kann doch nicht sich selber belügen und diese Erbärmlichkeiten der "deutschen Toskanahäuser" fabrizieren. Es muss doch auch für diese Zeichner, ich nenne sie bewußt nicht Architekten, beschämend sein, wenn sie ihre substanzlosen Widerlichkeiten ihren Autraggebern aufschwatzen.

b. Landhäuser in der Toskana

Fährt man von Florenz aus aufs Land, ob nun nach Süden in Richtung Montepulciano und weiter nach Perugia oder Certaldo, wo alles, auch der Straßenbelag aus Ziegelsteinen besteht, und dann nach San Gimignano mit seinen von weitem sichtbaren Geschlechtertürmen, oder fährt man nach Nordwesten in Richtung Vinci, Prato, Pistoia und Peschia, wo Carlo Collodi die Geschichte des Pinocchio schrieb und weiter nach Lucca, wo es das beste Essen Italiens gibt, oder fährt man von Florenz aus auf der Viale Augusto Righi nach Nordosten, vorbei an der Klosterkirche Badia nach Fiesole, man wird überall die Erhabenheit der Landschaft, den mentalen Reichtum, die Großartigkeit der Gebäude und die sensible Herzlichkeit der Bevölkerung spüren.
Hier ist nichts billig und schäbig, sondern alles zeugt von größter Anmut.

Doch wie klein, unorientiert, banal aufgesetzt und oberflächlich sehen dagegen unsere sogenannten "Toskanahäuser" aus. Noch wenn dazu es der Wunsch ist, Plastikfenster oder Plastiktüren mit vermeintlichen "eleganten" Glaseinsätzen einzubauen, so dass man keine Arbeit mit dem Streichen hat.
Wie arm sind wir und wie arm sind wir geworden. Wer diese Häuser entwirft oder bauen lässt, hat jede Menschlichkeit, jeden wirklichen Stolz und jede Sinnlichkeit verloren. Anstatt mit seinem Haus Orientierung und Halt fürs Leben zu finden, wird ein Leben der Oberflächlichkeiten gewünscht und bevorzugt, das immer, möglichst ohne Arbeit sauber zu sein hat. Aber vielleicht gehen diese Personen auch irgendwann mit ihrem Lebenspartner genauso um, ohne Sinnlichkeit.

4. Designerhäuser

Einige, vorwiegend wohlhabende Auftraggeber bevorzugen moderne Designerhäuser.

Es ist nichts gegen diese Art des Bauens einzuwenden, denn sie orientieren sich weitgehend an Schlichtheit und oft wohltuender formaler Bescheidenheit. Auch wird stets auf hohe Qualität und angemessener Materialauthentizität Wert gelegt.
Doch sind auch hier mentale "Fallen" mit eingebaut.
Manchmal ist es so, dass sich die Bauherren allzu sehr dazu verleiten lassen, vermeintlich stilecht handeln zu müssen, indem sie alles, was sie kaufen, der Doktrin des Designs unterwerfen und sie vergessen ihr eigenes Leben und dessen Einzigartigkeit. Es kommt zu einer Gratwanderung zwischen der Entscheidung keine gestalterische Fehler machen zu dürfen und dass alles perfekt und stilecht sein soll und dem Gefühl, ob dies wirklich einem selbst entspricht und mit den eigenen Wurzeln vereinbar ist. Man überschreitet sehr schnell den Ausdruck seiner eigenen Persönlichkeit und gerät auf jene Bahn, die dazu führt, dass man andere von sich und seinem neuen "eigenen Lebensstil" beeindrucken will.
Nur ein wenig zuviel an Design kann daszu führen, dass man meint, dass der Bauherr nicht mehr überlegen und nicht mehr "über der Sache steht", sondern dass das Haus und die Einrichtung eine Flucht aus einer Art von Wirklichkeit ist und dass das Gebäude ein Schutzschirm für etwas fehlendes ist, oder dass man sich der eigenen, wirklichen Persönlichkeit unsicher ist und nach außen hin "besser" erscheinen möchte.
Dann hilft auch keine noch so große Investition mehr. Ein glückliches, erfülltes Leben wird dann in diesem Haus nicht mehr möglich sein. Da helfen weder noch so teure Trinkgläser und Silbertabletts, keine noch so technisch ausgefeilte Musikanlage, kein noch so großer Flachbildschirm im Privatkinoformat mit allerhand Bedienungsschnickschnack und kein noch so teurer Luxuswagen in der Garage, der spielend alles, was sonst auf den Straßen fährt, überholen kann.

Die Gestalt eines wirklichen und wahrhaften Wohnhauses, und damit ist die innere Kraft des Hauses gemeint, muss sich aus der ursprünglichen Persönlichkeit der Bewohner entwickeln und darf keine Ansammlung von noch so gut designierten Produkten sein.

Diese Gratwanderung zwischen Designartikel und der eigenen inneren Persönlichkeit kann sich auf längere Sicht auch negativ auswirken, indem man seine anerzogene Sensibilität und Ehrlichkeit nicht mehr ausleben kann, weil es die "übergestaltete Umgebung" nicht mehr zulässt. Die Folge könnte sein, dass die Seele verhärtet, dass man nicht mehr entscheiden kann, wer die wirklichen Freunde sind, da sich diese zurückziehen, weil sie vermeintlich nicht mehr mithalten können. Falsche Freunde können sich einfinden, weil sie von der blendhaften Gestaltung und der scheinbaren aber oberflächlichen Gleichsetzung der Bewohner beeindruckt und sogar angezogen werden, wie die Fliegen auf einem Misthaufen.
Es kann sehr leicht sein, dass das Leben in einem Designerhaus eher inszeniert als zelebriert wird. Und das wäre falsch.

Man muss aber auch sagen, dass gerade diese Bauherren, die sich mit Design, Licht- und Farbgestaltung identifizieren können, die eigentlichen, von uns Architekten gesuchten Auftraggeber sind, indem sie deutlich zeigen, dass sie mehr von ihrem Leben erwarten und dass sie auch das Wagnis einzugehen bereit sind, dafür über Ihren eigenen Schatten zu springen. Dabei sollte der Architekt nicht vorschreiben, sondern unterstützend mitwirken.

5. Richtige Ansätze zur Gestaltung von Wohnhäusern

Zugegeben es ist gewiss nicht einfach ein persönliches Wohnhaus zu entwerfen.

Ja, es ist wohl die schwierigste Aufgabe vor der ein Architekt stehen kann, weil sich hier auf kleinem Raum ein ganzes Leben, ein ganzes Familienleben abspielen soll.

Idealerweise wünscht man sich als ernsthafter Entwerfer auch einen idealen Auftraggeber. Dieser, so wäre es der Wunsch, sollte dem Architekten so viel Freiräume wie nur irgend möglich lassen und nicht versuchen ihn einzuengen. Berücksichtigt der Bauherr diesen Ratschlag, so wird er am Schluss einen hundertmal besseren Entwurf in Händen halten, als er sich für sein Leben hat vorstellen können. Gott sei Dank haben wir auch solche Auftraggeber.

a.  Unsere eigene Arbeitsweise

Was ich mit Freiheit im Entwerfen meine möchte ich ihnen kurz anhand unserer eigenen Arbeitsweise erläutern.

Wenn Bauherren bei uns anfragen, ob wir ihnen ihr neues Zuhause entwerfen würden, haben sie meistens schon konkrete Vorstellungen.
Manchmal kommen die Auftraggeber zur ersten Besprechung mit Zeichnungen die sie selbst erstellt hatten und in denen bereits alle Räume und Zimmer und zum Teil auch das Grundmobiliar eingeplant sind. Anhand von mitgebrachten Zeitschriften oder Fertighauskatalogen wird dann noch die gewünschte Grundform erklärt und sie meinen dann, dass wir nur noch ein Gebäude daraus auszuwählen und eventuell leicht umzugestalten, die Räume darin noch anzupassen hätten und fertig wäre der Entwurf.

Ein schlechter Zeichner ohne Ansprüche würde dies vielleicht auch so machen, aber wohl kein Architekt der Verantwortung gegenüber seinen Auftraggebern hat und der bereit ist, sein Bestes zu geben.

Es kommt immer auf die Situation an, in der wir den Bauherrn das erste Mal begegnen. Es muss schon bei den ersten gemeinsam gewechselten Worten eine Art von Vertrauen, oder ich nenne es auch Vertrautheit, zu spüren sein. Es entwickelt sich zumeist ein sehr ungezwungenes Gespräch in einer privaten Atmosphäre, bei dem es um alles andere geht, nur nicht um das Bauvorhaben.
Gegenseitig tastet man sich dabei ab, ob man gedanklich zueinander passt. Und man ist indirekt bereits gemeinsam dabei, nach möglichen Ansätzen zu suchen, die für die Planung des Wohnhauses wichtiger sind, als die reine funktionale Anordnung von Räumen oder die notwendige Technik.
Dieses vertrauensvolle gegenseitige Verhältnis, das wir aufzubauen versuchen, darf schon um unsere Vorstellungen frei und offen erläutern zu können, niemals enttäuschen werden, auch dann nicht, wenn der Auftrag bereits längst erledigt und das Haus schon bewohnt ist.
Das gewonnene gegenseitige Vertrauen ist für uns der Schlüssel, der es erlaubt, die eigentlichen, inneren Wünsche, Erwartungen und Hoffnungen der Auftraggeber zu erkennen und wenn sie es zulassen, schaukeln sich die gemeinsam erarbeiteten Gedanken gegenseitig immer höher. Die Auftraggeber erleben dann direkt den eigentlichen Entwurfsprozess ihres neuen Wohnhauses.
Wir erzählen dann von vielen Dingen und Gefühlen, die in ihrem Haus Raum finden sollten und wir beobachten dabei, ob wir irgend etwas ansprechen, was ihr Herz bewegt.
Es sind vor allem Gespräche über mögliche persönliche Beziehungen und Hoffnungen, welche die Bauherrn mit Ihren Lebenspartnern verbinden. Es geht auch um philosophische Themen, wie über den eigentlichen Sinn des Lebens, oder was sind unsere Wurzeln, woher kommen wir und wo gehen wir hin und mit welcher inneren Einstellung wir unser doch zeitlich begrenztes Dasein begegnen wollen. Das heißt, es sind auch ernste und tiefgrüdige Themen, die oft am besten bei einem Glas Wein angesprochen werden und es kann durchaus sein, dass ganze Nächte durchdiskutiert werden.

Alle diese Gespräche dienen schlussendlich dazu, ein substanzvolles räumliches Gefüge für das neue Wohnhaus zu entwickeln. Kommt eine solche gegenseitige mentale Bereicherung zustande, so verwirft der Auftraggeber gerne selbst seine eigenen früheren "Planungen" und er lässt sich auf eine Reise ein, von der eigentlich keiner weiß, wo sie hinführt und wie das Ergebnis schließlich aussehen wird. Aber es ist der beste Weg den man beschreiten kann.

Irgendwann beginnen wir die Ergebnisse unserer Gespräche und Stimmungen zu ordnen und zu interpretieren um ihnen eine Form zu geben. Und wenn wir von meinem Entwurf restlos überzeugt sind, beginnen wir ganz vorsichtig die Auftraggeber darauf einzustimmen, denn das gezeichnete "Resultat" ist ein Spiegelbild ihrer selbst, auch wenn es oft schlicht und unspektakulär ist. Es ist dann das raumgewordene Ergebnis ihrer Gegenwart und ihrer Zukunft, in dem sie sich selbst verwirklichen können. Es ist Platz für alles da was das Leben ausmacht, für die eigene Persönlichkeit, es ist Raum für alle Erwartungen, Hoffnungen, Gefühle und auch für alle angesprochenen Dinge, sowie auch für jene, die nicht zu artikulieren sind.

Die Schlichtheit, um ein Thema zu nennen, ist ein innerer Wert. Stellt man sich vor, man sitzt mit seinem Lebenspartner gemeinsam an einem Tisch und es brennt lediglich nur ein Kerzenlicht, so können sich tiefgründigere Empfindungen und Gespräche entwickeln, als bei einer ganzen Anzahl von Beleuchtungskörpern und seien sie noch so fachmännisch gestaltet und von erlesensten Design.

Bei jüngeren Auftraggebern muss Raum für Kinder geschaffen werden, die sich in dem Gebäude entwickeln können und an deren Aufwachsen man intensiv teilnehmen will. Es muss Raum und die nötige Atmosphäre für Dinge geschaffen sein, die man seinem Partner anvertraut und auch für Dinge, die man nicht sagen kann oder will, aber die auch sehr schön sein können.   
Der geschaffene Lebensraum darf nicht so groß sein, dass man sich, wenn man alleine ist, verloren darin vorkommt und er sollte auch, wenn man älter wird und die Kinder außer Haus sind, in allen Teilen jene Geborgenheit bieten, in der auch Freunde, die man in seinem Leben gefunden hat, für gemeinsame Erlebnisse Raum haben.
Ein Haus sollte auch jenen mentalen Halt geben, wenn die Zeiten schlechter sind und wenn man Sorgen oder Kummer hat. Dann erst zeigt sich ob ein Haus gut ist.

Es ist auch so, dass der zu schaffende Lebensbereich durchaus Kanten und Ecken haben kann, welche ein inneres Brennen verursachen, leidenschaftlich und eigenständig sein kann, das auch Ruhe und gleichzeitig Ausstrahlung haben kann, dass er sich aber nicht vordergründig und dekorativ gibt, sondern dass er Charakter hat.

Beim Entwurf eines solchen Hauses werden unsere Auftraggeber auf die Menschlichkeit, Warmherzigkeit und Ehrlichkeit verwiesen und es wird ihnen, was bisher immer der Fall war, plötzlich klar, dass ein Lebensglück weder von einem noch so stilvoll gestalteten Gebäude oder einer noch so ausgefeilt designierten Innenausstattung, weder von gezeigtem Reichtum, einem großen Auto oder einer vielfach vorgespielten, möglichst anderen beeindruckenden Wichtigtuerei ankommt, sondern nur auf die eigene Persönlichkeit.

Es ist die Aufgabe des Architekten die Bauherrn auf all das hinzuweisen und es liegt in seinem Können diese Überlegungen zu interpretieren und in eine Form zu bringen.

b. Einige besondere Vorbilder

Vielleicht können uns gute Architekten und Gestalter, die sich ihr Leben lang mit humaner Architektur beschäftigt haben, einen Weg weisen.

Ich denke dabei zum Beispiel an das Wohhaus von Ray und Charles Eames am Chautauqua Boulevard Pacific Palisades in Los Angeles, das 1949 mit einfachsten Mitteln und einfachster Konstruktion entwickelt wurde und das
heute noch täglich tausende von Besuchern anlockt, die dann die überall noch spürbaren Werte in sich aufsaugen.
Oder an die Casa Tonini im Tessin, ein Gebäude für einen Mathematikprofessor, entworfen von den Architekten Bruno Reichlin und Fabian Reinhard, die sich von der Villa Rotonda in Vicenza inspirieren ließen und das von der Weite wie ein strahlendes Kunstobjekt wirkt, von der Nähe aber wegen der einrahmenden Bepflanzung nicht einzusehen ist und damit die gewünschte Privatheit bietet.
Ich denke an die Gebäude von Rudolf Schindler in den Vereinigten Staaten und an die "leichten" Häuser von Cio Poniti in Italien und an jene von Eero Saarinen, die sich alle durch menschliche Sensibilität auszeichnen.
Und nicht zuletzt denke ich an den Designer und Architekten Ettore Sottsass, mein eigenes großes Vorbild und geistiger Mentor, dessen Gebäude von Einfallsreichtum und Offenherzigkeit nur so sprühen.

Vielleicht ist es auch ein besonderes Merkmal, dass stets all die guten Architekten in verhältnismäßig kleinen und bescheidenen Gebäuden lebten und arbeiteten, auch wenn sie sich vielleicht etwas anderes hätten leisten können.

Sie haben sich alle intensiv mit der Menschlichkeit beschäftigt und sind alle zu dem Schluss gekommen, dass, wie es Louis H. Sullivan so schlicht und treffend einfach beschrieb, "dass das Leben erkennbar ist an seinem Ausdruck". Und jedes Wohnhaus drückt wohl genau das aus, was seine Bewohner sind und was sie ausmacht.

Wir selbst arbeiten und wohnen in einem Haus, in dem schon viele der genannten und für uns wichtige Ansätze verwirklicht wurden. Es ist eines der schlichtesten und unspektakulärsten Häuser, an dem wir noch Jahre zu arbeiten haben. Es wird wahrscheinlich so sein, dass es in meinem Leben auch nicht fertig werden wird. Das Haus scheint fast zu einfach zu sein. Aber es kommt auch vor, dass Autofahrer plötzlich anhalten, aussteigen und ein Gespräch beginnen und manchmal komme ich nach Hause und es sitzen Personen die ich gar nicht kenne davor, unterhalten sich mit meinem Sohn und ich genieße es dann, sie ebenfalls kennenzulernen.

6.  Resümee

Als ein Vertreter der "menschlichen Architektur" ist man zwar immer im Zweifel, ob das, was man tut richtig ist, ob man sich beim Entwerfen auf sein Herz verlassen kann und ob die eigene Seele das jeweilige Ergebnis für richtig empfindet.
Aber wenn ich nur wenige Kilometer von uns aus nach Eichstätt fahre, werden alle von mir jemals getroffene Entscheidungen von einer anderen Seite her bestätigt. Der in ganz Europa bekannte und angesehene, Inhaber der Silvesterordens, der höchsten kirchlichen Auszeichnung und mit vielen weiteren Auszeichnungen überhäufte Architekt Karljosef Schattner, lebte in einem ähnlichen schlichten Haus. Und das gibt mir eine gewisse Befriedigung.

Wenn ich hier noch mehr Zeit bliebe, und dies würde auch meinem Naturell entsprechen, könnte ich noch stundenlang über die Empfindungen, die beim Entwerfen eines Wohnhauses wichtig sind, erzählen. Aber ich möchte hier meinen Vortrag beschließen.
Vielleicht war es mir trotzdem möglich, sie auf die Verantwortung hinzuweisen, die wir alle als Architekten gegenüber unseren Auftraggebern haben. Es ist nicht der Verstand, der uns alleine leiten darf, sondern es sind vor allem unser Herz und unsere Seele. Sie sind das Beste, was wir in unsere Entwürfe mit einbringen können.

Ich bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit, für ihr Interesse und ich wünsche noch eine gute Nachhausefahrt.













Zurück zum Seiteninhalt | Zurück zum Hauptmenü